Autobahn der Tiefdruckgebiete

Noch zu Beginn dieses Monats sorgte ein kräftiges Hochdruckgebiet mit Schwerpunkt über dem Osten und Südosten Europas deutschlandweit für ruhiges Herbstwetter. Tiefdruckgebiete kamen gegen dieses Hoch nicht an und mussten vom Atlantik kommend entweder nach Süden Richtung Mittelmeer oder weit nach Norden ausweichen.

Seit dem letzten Wochenende hat sich die Wetterlage grundlegend umgestellt. Das Hochdruckgebiet hat sich abgeschwächt und seinen Schwerpunkt Richtung Südeuropa verlagert. Somit wurde der Weg frei für atlantische Tiefdruckgebiete, die seither mit einer kräftigen Westströmung wie auf einer Autobahn in rascher Abfolge vom Atlantik heranziehen und vor allem im Norden Deutschlands für wechselhaftes und zeitweise stürmisches Wetter sorgen. Im Süden blieb der Hochdruckeinfluss noch bestehen.

Wenn ein großräumiges Strömungsmuster wie das eben beschriebene über mehrere Tage hinweg Bestand hat, sprechen wir Meteorologen von einer sogenannten Großwetterlage.

Vor über 60 Jahren haben die deutschen Meteorologen Paul Hess und Helmuth Brezowsky eine Untersuchung für Europa durchgeführt und festgestellt, dass es eine begrenzte Zahl von Großwetterlagen gibt, die in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen immer wieder auftreten und die sich durch ganz bestimmte Charakteristika auszeichnen. Sie haben eine Einteilung in insgesamt 29 solcher Großwetterlagen vorgenommen und diese im "Katalog der Großwetterlagen Europas" zusammengefasst.

Die derzeit herrschende Großwetterlage, bei der uns mit einer kräftigen Westströmung in rascher Folge atlantische Tiefausläufer überqueren, wird als "Westwetterlage" bezeichnet. Hierbei wird zudem zwischen einer zyklonalen und einer antizyklonalen Westwetterlage unterschieden.

Bislang herrschte eine antizyklonale Westlage. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass vor allem der Norden Deutschlands von atlantischen Tiefdruckgebieten beeinflusst wird. Außen vor bleiben die Mitte und der Süden Deutschlands, wo hoher Luftdruck für ruhiges und überwiegend sonniges Wetter sorgt. Genau dieser Witterungscharakter war in dieser Woche gegeben. Hervorzuheben als Besonderheit ist dabei das bis in die höheren Lagen der Alpen ungewöhnlich milde Wetter. Dies war das Ergebnis einer schwachen Südwestströmung im Randbereich des Hochs, mit der Warmluft aus Südwesteuropa herangeführt wurde.

Ein Blick auf die aktuellen Vorhersagekarten für die kommenden Tage zeigt aber, dass sich auch im Süden Deutschlands der Hochdruckleinfluss nicht mehr halten kann. Zwar verbleiben am Wochenende noch der Südwesten und einige Regionen des Südens im Bereich des Hochs, zu Beginn der kommenden Woche wird es aber ganz aus unserem Raum verdrängt. Somit wird das Wetter auch in der Mitte und im Süden zunehmend von den Tiefdruckgebieten bestimmt. Die antizyklonale Westlage geht also in eine zyklonale Westwetterlage über.

Stark ausgeprägte Westwetterlagen sind im Allgemeinen sehr stabil. Laut den aktuellen mittelfristigen Prognosen bleibt uns diese Wetterlage auch im weiteren Verlauf der Woche erhalten. Das bedeutet, dass sich das relativ milde und zeitweise stürmische Wetter fortsetzt.

Dipl.-Met. Johanna Anger

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.11.2015

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