Tropische Wirbelstürme

Bei tropischen Wirbelstürmen handelt es sich um Tiefdruckgebiete, die im Bereich der Tropen entstehen und sich im Gegensatz zu den Tiefdruckgebieten der höheren Breiten durch einen warmen Kern auszeichnen. Sie werden nach drei Intensitätsstufen unterschieden: tropische Depression (schwach), tropischer Sturm (mittel) und tropischer Orkan (stark).

Von einem tropischen Wirbelsturm mit Orkanstärke spricht man, wenn die Windmaxima im 1-Minuten-Mittel 118 km/h oder mehr betragen (im australischen Raum ist diese Schwelle etwas niedriger, im japanischen Raum etwas höher angesetzt). Wirbelstürme dieser Stärke werden je nach Region der Welt unterschiedlich bezeichnet: Hurrikan (Atlantik, Nordost-Pazifik), Taifun (Nordwest-Pazifik), Zyklon (Indischer Ozean, Südwestpazifik) sowie Baguio (nur im Bereich der Philippinen).

Die Bezeichnung "Hurrikan" (engl. "hurricane") leitet sich aus der Maya-Mythologie ab, wo "Huracán" der Gott des Windes, des Sturmes und des Feuers ist. Hurrikane entstehen typischerweise während der Saison von Juni bis November über denjenigen Meeresgebieten des Nordatlantiks, welche dafür günstige Bedingungen bieten. Als günstige Bedingungen gelten dabei: Temperatur der Wasseroberfläche von 27 °C oder mehr (unter bestimmten Bedingungen kann aber auch schon weniger ausreichend sein), eine geringe Windscherung (vertikale Änderung von Windrichtung und/oder -geschwindigkeit) und Annäherung einer sogenannten tropischen Wellenstörung oder eines außertropischen Tiefs.

Diese tropischen Wellenstörungen bilden sich häufig über der nordafrikanischen Landmasse aus Zusammenballungen von Gewittern und wandern mit der tropischen östlichen Höhenströmung (Passat) in die östlichen oder zentralen Regionen des tropischen Nordatlantiks. Dort können sie sich infolge der Energiezufuhr durch Verdunstung der warmen Meeresoberfläche bis hin zu Hurrikanstärke weiterentwickeln. Herrschen allerdings ungünstige Windscherungsbedingungen vor (z.B. wenn der Passat zu hohe Windgeschwindigkeiten aufweist), wandern sie ohne nennenswerte Entwicklungen weiter westwärts, bis sie über dem Westatlantik, der Karibik oder sogar erst über dem Nordostpazifik mit geringer werdender Windscherung bessere Entstehungsbedingungen "vorfinden".

Aktuell ist Hurrikan "Joaquin" auf dem Westatlantik unterwegs. Am 28. September 2015 stufte das National Hurricane Center (NHC) des amerikanischen Wetterdienstes eine Störung, die sich ca. 650 km südwestlich der Bermudainseln befand, als tropische Depression mit der Nummer 11 ein (siehe grüner Kreis auf der DWD-Bodenanalyse unter www.dwd.de/tagesthema). Zunächst ging man nicht von einer Verstärkung aus. Jedoch war genau das Gegenteil der Fall und so wurde die Depression bereits einen Tag später zum tropischen Sturm mit dem Namen Joaquin heraufgestuft. Durch ein nördlich bis nordöstlich liegendes Hoch wurde Joaquin zunächst west- bis südwestwärts gesteuert. Er unterlief in der Folge über warmem Meer bei abnehmender Scherung eine Phase rascher Intensivierung und erreichte am 30. September Hurrikanstärke (Kategorie 1 der fünfstufigen Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala). Noch am selben Tag wurde er der Kategorie 2, in der Folgenacht sogar der Kategorie 3 ("major hurricane") zugeordnet. Nur Stunden später intensivierte sich Joaquin weiter zu einem Kategorie-4-Hurrikan. Er lag zu diesem Zeitpunkt 25 km nordwestlich von Crooked Island (Bahamas) und erreichte Windgeschwindigkeiten von 215 km/h. Der Kerndruck betrug am 2. Oktober um 00 Uhr UTC 931 hPa (Weltzeit UTC = MESZ-2h). Auf seinem Weg über die Bahamas schwächte er sich zunächst ab. Bedingt durch das Zurückziehen des nördlich gelegenen Hochdruckgebietes verlangsamte sich die Eigenbewegung der Systems und er drehte allmählich nordwärts ab. In der Folge kam es zu einer erneuten Intensivierung, wobei Joaquin mit Windmaxima im 1-Minuten-Mittel von 250 km/h fast Kategorie 5 erreichte.

Neben hohen Windgeschwindigkeiten mit der Folge entsprechender Schäden kommt es im Wirkungsbereich tropischer Wirbelstürme auch zu heftigen Regenfällen, die zu ausgedehnten Überschwemmungen führen können. Wenn auch nicht unmittelbar, aber doch auch unter Mitwirkung Joaquins fielen im Südosten der USA mitunter extreme Regenmengen. Ein Höhentief über dem Norden Floridas sorgte immer wieder für Hebungsantriebe, die, gepaart mit dem Feuchtnachschub durch Joaquin, in heftigen Regengüssen resultierten. So sind in Charleston (South Carolina) vom 1. Oktober 06 Uhr UTC bis 5. Oktober 06 UTC knapp 440 Liter pro Quadratmeter Regen zusammengekommen. In Kingstree (ebenfalls South Carolina) fielen am 4. Oktober unglaubliche 326,4 Liter pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden.

Aktuell (5. Oktober, 08 Uhr MESZ) befindet sich Joaquin bei 33,6 Grad nördlicher Breite und 65,5 Grad westlicher Länge etwa 160 km nordnordwestlich der Bermudainseln. Dabei wird er bei Mittelwinden von 140 km/h als Hurrikan der Kategorie 1 geführt. Nach Berechnungen des NHC wird er allmählich nach Nordosten abdrehen und dann unter Abschwächung in die Westwinddrift der mittleren Breiten einbezogen werden. Am Freitagabend soll er als außertropischer Sturm südwestlich von Irland liegen (siehe Grafik unter www.dwd.de/tagesthema).

M.Sc. Met. Stefan Bach

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.10.2015

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