Mit den Wechselwirkungen zwischen den atmosphärischen Prozessen und den lebenden Organismen (Pflanzen, Tiere oder Menschen) befasst sich die Biometeorologie als interdisziplinäre Wissenschaft. Die zentrale Frage dieses Wissensbereiches ist: Wie beeinflussen Wetter und Klima lebende Organismen?
Dabei werden mit dem "aktinischen Wirkungskomplex", dem "thermischen Wirkungskomplex" und dem "lufthygienischen Wirkungskomplex" allgemein drei verschiedene Wirkungsbereiche unterschieden.
Der aktinische Wirkungskomplex behandelt die Komponenten der biologisch wirksamen Sonnenstrahlung; sie reichen vom infraroten über den sichtbaren bis zum UV-Bereich. Sowohl gesundheitsfördernde als auch -schädigende Einflüsse sind bekannt: Beim Menschen fördert beispielsweise Infrarotstrahlung die Durchblutung. Sichtbares Licht beeinflusst Hormonhaushalt und Psyche. Das größte Wirkungsspektrum besitzt jedoch die UV-Strahlung: Hautbräunung, Vitamin-D3-Synthese, aber auch Schädigung von Hautzellen und Sonnenbrand sind nur einige, vielleicht die bekanntesten Auswirkungen der UV-Strahlung.
Im lufthygienischen Wirkungskomplex werden die natürlichen und die durch den Menschen verursachten Luftbeimengungen zusammengefasst. Zu diesen zählen Grob- und Feinstaub, Pollen sowie auch gasförmige und flüssige Stoffe.
Von besonderem Interesse bei der aktuellen bzw. bevorstehenden Hitzewelle ist jedoch der thermische Wirkungskomplex. Im thermischen Wirkungskomplex werden alle Größen beschrieben, die für den Austausch von Wärme zwischen dem lebenden Organismus und der ihn umgebenden Atmosphäre von Bedeutung sind. Die wichtigsten meteorologischen Größen sind dabei Lufttemperatur, Luftfeuchte, Windgeschwindigkeit und Strahlung. Um das Wohlbefinden, die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit des Menschen zu gewährleisten, ist es notwendig, die Bewertung und Vorhersage der thermischen Umweltbedingungen des Menschen in einer physiologisch korrekten sowie wirkungsvollen und praktischen Weise aufzubereiten, darzustellen und weiterzugeben.
Damit die inneren Organe und das Gehirn optimal funktionieren können, muss die Körpertemperatur eines Menschen auf einem konstanten Niveau (~37°C) gehalten werden. Dafür sollten die Wärmeproduktion im Organismus und die Wärmeabgabe an die Umgebung über einen längeren Zeitraum im Gleichgewicht stehen. Vom Wärmegleichgewicht abweichende Bedingungen werden dem Menschen über das Gehirn gesteuert durch Frieren oder Schwitzen bewusst und führen so zu einer Anpassung des Verhaltens, z.B. durch Ablegen von Kleidung, Verminderung der Aktivität oder Aufsuchen von geschützten bzw. klimatisierten Räumen.
Die Temperatur der Haut und der Extremitäten können dabei jedoch abhängig von den Umgebungsbedingungen stark schwanken. Überschüssige Körperwärme gibt der Körper über die Haut an die Umgebung ab. Mögliche Prozesse sind beispielsweise die Konvektion (sensibler Wärmefluss), Strahlung (langwellige Strahlung) sowie die Verdunstung z.B. von Schweiß und Diffusion von Wasserdampf (latenter Wärmefluss). Gleichermaßen kann der Wärmehaushalt in einem bestimmten Maße auch über die Atmung (latenter und sensibler Wärmefluss) reguliert werden. Aufgrund des unterschiedlichen Stoffwechsels bei Menschen kann das thermische Empfinden in Abhängigkeit beispielsweise von Alter und Geschlecht variieren und ist somit lediglich eine subjektive Bewertung der Auswirkung der Umgebungsbedingungen auf den Zustand des Körpers.
Um das thermische Empfinden auf Basis der vorgefundenen Umgebungsbedingungen vorherzusagen, wird auf verschiedene Konzepte zurückgegriffen. Ein weitverbreitetes Konzept ist dabei die Betrachtung der "äquivalenten Temperatur". Sie beschreibt in diesem Fall die Lufttemperatur, die in einer Referenzumgebung herrschen müsste, um das gleiche thermische Befinden wie in der aktuellen Umgebung (optimalen Zustand des Wärmehaushaltes des Körpers) hervorzurufen. Der Vergleich der äquivalenten Temperatur zur Lufttemperatur erschließt sich häufig selbstständig, besonders in Hinsicht auf extreme Bedingungen (Hitze, Kälte).
Der Deutsche Wetterdienst betreibt darauf aufbauend als thermisches Bewertungsverfahren das sogenannte "Klima-Michel-Modell". Dabei greift er auf die "gefühlte Temperatur" als eine Variante der äquivalenten Temperatur zurück, die die Anpassung der Bekleidung an die aktuellen thermischen Bedingungen berücksichtigt. Allerdings gelten die Bewertungen jeweils nur für einen aufrecht stehenden Menschen. Der Klima-Michel beschreibt bei der Bewertung einen Norm-Menschen. Dieser erbringt eine Arbeitsleistung von 172,5 Watt bzw. 135 Watt pro Quadratmeter Hautoberfläche. Dies entspricht dem Zustand "Gehen" mit etwa 4 km/h in der Ebene. Gleichermaßen ist die Bewertung an den Außenbedingungen ausgerichtet, sodass der "Michel", um sein thermisches Gleichgewicht herzustellen, seine Kleidung zwischen einer sommerlichen und winterlichen Variante variieren kann. Die sommerliche Kleidung entspricht beispielsweise einer leichten langen Hose, einem kurzärmeligen Hemd und Sandalen.
Aufgrund der derzeitigen Luftdruckverteilung über Europa steht eine erneute Hitzewelle vor der Tür. Zwischen Hoch "Finchen", das sich mittlerweile über Osteuropa ausbreitet, und dem ausgeprägten Tief "Bonimir" mit Kern westlich von Irland wird heiße subtropische Luft angezapft und mit einer südlichen Strömung nach Deutschland transportiert. Als Folge werden schon am heutigen Montag die Höchsttemperaturen verbreitet um bzw. über 30 Grad liegen. In der Spitze könnten im Rhein-Main- bzw. Rhein-Neckar-Gebiet lokal sogar 36 Grad gemessen werden. Bei schwachem Wind steigt auch wieder die gefühlte Temperatur und liegt meist zwischen 28 Grad im Norden und 37 Grad im Südwesten. Am Dienstag nimmt der Einfluss von Tief Bonimir zu und bei Höchstwerten von "nur" noch bis 30 Grad kommt es zunächst in der Westhälfte, am Mittwoch dann auch im Osten, zu einer vorübergehenden leichten Abkühlung. Vorab steigt das Quecksilber am Dienstag im Osten jedoch nochmals auf 30 bis 36 Grad, was gefühlt Werten zwischen 32 und 37 Grad entspricht. Der vorläufige Höhepunkt der Hitze wird voraussichtlich am Freitag erreicht. Dann könnte bei erneuter Heißluftzufuhr unter wieder zunehmenden Hochdruckeinfluss die Sonne die Lufttemperatur lokal über die 38-Grad-Marke anheizen. Insgesamt muss also in der gesamten Woche mit einer mehr oder weniger starken Wärmebelastung gerechnet werden.
Weiterführende Informationen zu der Hitze und der Wärmebelastung finden sie auch unter www.wettergefahren.de oder www.dwd.de sowie in der WarnWetterApp des DWD.
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst