Wer in den vergangenen Wochen die internationalen Nachrichten in den Medien gesehen oder die Themen des Tages vom Deutschen Wetterdienst verfolgt hat, stieß immer mal wieder auf Berichte von kräftigen Tropenstürmen im Pazifik. Diese sind im Westpazifik unter dem Namen "Taifun" und im Ostpazifik als "Hurrikan" bekannt. In beiden Ozeanregionen sahen die Tropensturmvorhersagen der jeweiligen nationalen Wetterdienste eine rege Tropensturmaktivität voraus, was nach aktuellem Stand auch einzutreffen scheint. Dabei sticht besonders die Intensität der diesjährigen Tropenstürme hervor. Im Westpazifik tobten bisher neun Taifune, davon zwei der Kategorie 4 und drei der Kategorie 5 auf der fünfteiligen Saffir-Simpson-Skala. Dasselbe Bild ist auch im Ostpazifik zu finden, wo von bisher vier Hurrikanen gleich drei die Kategorie 4 erreichten. In beiden Basins wurden zahlreiche Rekorde gebrochen, wie z.B. das Maß der sogenannten "akkumulierten Zyklonenergie [engl. Accumulated cyclone enegery, ACE]" zeigt. Mit diesem Maß ermittelt man den aus Satellitenbildern abgeleiteten oder teilweise gemessenen Wind eines Sturmes und addiert diesen über die gesamte Lebenszeit des jeweiligen Sturmes auf. Je stärker und langlebiger also der Tropensturm ist, desto höher ist seine akkumulierte Energie. Die ACE im Nordwestpazifik liegt momentan aufsummiert über alle Stürme beim 3-fachen des Normalwerts für diese Jahreszeit, im Ostpazifik ungefähr beim doppelten Wert und im Atlantik unter dem Durchschnitt.
Sie fragen sich nun sicherlich einerseits, wieso in diesem Jahr so viele der Tropenstürme solch eine hohe Intensität erreicht haben. Dazu müssen wir auf ein weiteres Klimaphänomen eingehen.
In den letzten Monaten hat sich die Vorhersage u.a. der nordamerikanischen "National Oceanic and Atmospheric Administration, NOAA" nach mehrmaliger Korrektur bewahrheitet, die im Verlauf des Frühjahrs 2015 die Entwicklung eines El Nino im Pazifik erwartet hat. El Nino ist ganz grob gesagt eine Klimaanomalie, die sich zwischen der Westküste Südamerikas und dem südostasiatischen Raum (z.B. Indonesien) alle paar Jahre ereignet. Die Auswirkungen jedoch sind in einem deutlich größeren Gebiet zu spüren. El Nino spiegelt sich u.a. durch eine außergewöhnlich hohe Wassertemperatur im Ostpazifik wider. Dabei sorgt der aktuelle El Nino im gesamten tropischen Pazifik (inklusive dem Ost- und Westpazifik) für positive Temperaturanomalien, die teils 1 Kelvin über dem Normalwert liegen. Da Tropenstürme ihre Energie vom warmen Meerwasser beziehen, ist es nicht verwunderlich, dass sich in dieser Saison die Tropenstürme rasant verstärken konnten, wenn zusätzliche Parameter wie geringe Windscherung (Windzunahme mit der Höhe) und eine feuchte Troposphäre ebenfalls vorhanden waren.
Und eben dieser El Nino sorgte bisher im tropischen Atlantik für einen ruhigen Start in die diesjährige Hurrikansaison, die vom 1. Juni bis 30. November andauert. Bisher traten nur drei schwache tropische Stürme auf. Egal welche Vorhersage man sich anschaut, es gibt eine außergewöhnlich hohe Übereinstimmung, dass die Saison 2015 mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent unterdurchschnittlich verlaufen wird. Folgende Aktivität wird erwartet (in Klammern die jeweiligen saisonalen Mittel von 1981 bis 2010): 6 bis 11 benannte Stürme (12), 3-6 Hurrikans (6) und 0-2 starke Hurrikans (3) mit einem ACE von 40-85% vom saisonalen Mittelwert. Man erkennt schon an der Spreizung der Werte, dass die Unsicherheiten, wie viele Stürme nun letztendlich auftreten werden, weiterhin recht groß sind. Jedoch ist die Sicherheit innerhalb der Vorhersagen unterschiedlicher Institutionen wie z.B. Universitäten sehr hoch, dass dieses Jahr eine unterdurchschnittliche Saison im Atlantik erwartet wird.
Doch woher kommt nun diese Sicherheit einer zu schwachen Saison? Sie können es bereits erahnen: El Nino. Aus der Historie früherer El Nino Jahre zeigte sich, dass sich über dem tropischen Atlantik meist ein Windfeld aufbaut, welches nicht förderlich für die Entwicklung tropischer Stürme ist, da es die Windscherung erhöht. Dies ist auch aktuell zu sehen, wo in weiten Bereichen des tropischen Atlantiks eine hochreichende Windscherung von 55-110 km/h innerhalb der Troposphäre zu finden ist. Diese sorgt grob gesagt dafür, dass sich bildende Gewitter nicht zu einem langlebigen Cluster zusammenballen können, sondern diese regelrecht "auseinandergerissen" werden. Dennoch muss man auch in solch einer Saison damit rechnen, dass irgendwann in einem kleinräumigen Gebiet die Bedingungen für die Entwicklung eines starken Hurrikans vorübergehend gewährleistet sein können. Wenn dies ungünstigerweise vor einem Küstenabschnitt passiert, dann kann auch ein vermeintlich ruhiges Jahr in den internationalen Medien urplötzlich in Form eines schadensträchtigen Hurrikanereignisses auftauchen.
Anfang August werden die Prognosen der Hurrikansaison aktualisiert, doch bereits jetzt ist absehbar, dass es keine signifikante Änderung mehr geben wird. Im Gegenteil, der El Nino intensiviert sich immer weiter. Einige Wissenschaftler sehen sogar mittlerweile Anzeichen für einen extrem starken und rekordverdächtigen El Nino, der sich im Verlauf der kommenden Monate weiter verstärken könnte. Es bleibt daher nur zu hoffen, dass, wenn sich doch ein starker Hurrikan bilden sollte, es dieser als sogenannter "Fischsturm" über dem offenen Meer und ohne Landbedrohung nur in die Statistik und nicht mit einem Landgang in die internationale Presse schafft!
Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst