Tropische Wirbelstürme über dem Westpazifik - besonders starke nennt man dort Taifune - können prinzipiell das ganze Jahr über entstehen. Jedoch lässt sich auf Grundlage der dort eher heterogenen Verteilung der Wirbelstürme über das Jahr hinweg eine Hauptsaison identifizieren. Sie umfasst den Zeitraum von Juli bis November. Die Hauptsaison hat also gerade erst begonnen und schon jetzt scheint sie auf Rekordkurs zu sein. Von Jahresbeginn an bis 16. Juli 2015 konnten bereits 11 tropische Stürme, darunter 4 Taifune, registriert werden. Noch nie seit Beginn regelmäßiger Aufzeichnungen im Jahre 1951 konnte zu einem früheren Zeitpunkt in einem Jahr eine solche Zahl an tropischen Stürmen über dem Westpazifik beobachtet werden. Der aktuell aktive Taifun "Nangka" steuert derzeit auf Japan zu und könnte als erster Wirbelsturm der Westpazifischen Saison bei seinem Landgang mit voller Wucht auf dicht besiedeltes Gebiet treffen. "Nangkas" Geburtsstätte war das Seegebiet um die Marshallinseln. Aus einem Gebiet erhöhter Gewitteraktivität heraus entwickelte sich am 3. Juli ein tropischer Sturm, der vom Japanischen Wetterdienst (JMA) auf den Namen "Nangka" getauft wurde. Nur 3 Tage nachdem der Sturm "Nangka" auf den Wetterkarten der Wetterdienste erstmals Beachtung fand, musste er aufgrund einer weiteren Intensivierung bereits zu einem Taifun heraufgestuft werden. Sehr gute Entwicklungsbedingungen im Umfeld des Wirbelsturms begünstigten nachfolgend eine regelrecht explosionsartige Verstärkung von "Nangka" zu einem Super-Taifun der zweithöchsten Kategorie 4 am 9. Juli. Dass Taifune dieser Stärke den Zusatz "Super" bekommen, geschieht nicht ohne Grund. Durch die für eine Einordnung in diese Kategorie notwendigen, über einen kurzen Zeitraum gemittelten Windgeschwindigkeiten über 210 km/h wird nämlich eine enorme Gewalt entfaltet. Auf seinem Höhepunkt erreichten die gemittelten Windgeschwindigkeiten im Wirkungsbereich "Nangkas" sogar bis zu 250 km/h.
Taifun "Nangka" verlagerte sich zunächst auf einer west-nordwestlichen Zugbahn, bevor er zwischen dem 12. und 15. Juli auf eine nördliche Bahn in Richtung Japan umbog. Dabei schwächte er sich zwar insgesamt etwas ab, brachte aber immer noch Windspitzen hervor, die ihn die meiste Zeit für eine Einordnung in die zweite und dritte Kategorie qualifizierten. Am heutigen 16. Juli (00 UTC = 02 Uhr MESZ) konnte "Nangka" als Kategorie-2-Taifun nun mit seinem Kern rund 400 Kilometer vor der Südküste der japanischen Insel Shikoku lokalisiert werden.
"Nangka" befindet sich mittlerweile auf einem eher ungewöhnlichen Nordwestkurs. Aufgrund der Tatsache, dass der Wirbelsturm damit fast senkrecht auf die Küstenlinien Japans treffen könnte, kann sich dort die enorme Wucht des Sturmes noch effektiver entfalten, als bei einem sich für gewöhnlich mehr "längs" zur Küste nordöstlich verlagernden Taifun. Grund für den Nordwestkurs ist ein großräumiges, stabiles und sich sogar noch verstärkendes Hochdruckgebiet, das den Weg nach Nordosten für den Taifun versperrt.
Taifun "Nangka" wird voraussichtlich am heutigen Abend (ca. 18 UTC) auf die Küste von Shikoku treffen und weiter über den Westteil von Honshu hinwegziehen. Danach schlägt "Nangka" eine nordöstliche Bahn über die Japanische See ein, wo er wahrscheinlich "nur" noch als tropischer Sturm klassifiziert werden wird.
Insbesondere die Menschen auf den japanischen Inseln Kyushu und Shikoku sowie die Bewohner des Westteils von Honshu müssen sich trotz weiterer Abschwächung des Taifuns auf außerordentlich unruhige Stunden einstellen. Windspitzen um 130 km/h, extrem hoher Wellengang auf See und Wellenschlag an den Küsten sind zu erwarten. Dazu schüttet es zum Teil "wie aus Eimern". Ausläufer des Sturms könnten auch die Großstädte Kyoto, Osaka und Kobe erreichen und dort für Schäden sorgen. Bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen in Japan entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen und damit das Schlimmste verhindern können.
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst