Unwetter mit Orkanböen sorgen für enorme Schäden

Wir Meteorologen freuen uns eigentlich immer wie Schneekönige, wenn wir mit unseren Vorhersagen mal richtig liegen. Doch in diesem Fall muss man sagen, "leider" trafen die Prognosen der vergangenen Stunden und Tage zu. Es kam am gestrigen Dienstag und in der Nacht zum heutigen Mittwoch zu den angekündigten, teils schweren Gewittern.

Auf der Westflanke eines Tiefs bei den Britischen Inseln konnte sich zunächst im Süden und Südwesten, später auch weiter nach Nordosten zu nochmals ein Schwall feucht-warmer Subtropikluft durchsetzen. Im Vorfeld einer Kaltfront, die Deutschland bis Mittwochfrüh weitestgehend von Nordwest nach Südost überquert haben sollte, erwiesen sich wie so oft die Mittelgebirge als Quellgebiet besonders intensiver Gewitterzellen. Vom frühen Nachmittag an beginnend bildeten sich über den westlichen und südwestlichen Mittelgebirgen (u. a. Eifel, Pfälzer Wald, Vogesen) zunächst isolierte Gewitterzellen, bevor sie sich zum Abend und in der Nacht zu mehreren Gewitterlinien gruppierten und von Südwest nach Nordost über das Land hinwegzogen.

Anhand der Verteilung der Blitze (sie ist ein Maß für die Aktivität und damit auch der Intensität der Gewitter, siehe die Abbildung unter www.dwd.de/tagesthema) lassen sich mehrere Schwerpunkte ausmachen. Eine markante Gewitterlinie entwickelte sich so zum Beispiel über Eifel und Westerwald und zog unter Intensivierung über Nordhessen, Südniedersachsen, Nordthüringen, Sachsen-Anhalt und Südbrandenburg (Nummer 1). Ausgehend von ganz besonders intensiven, isolierten Gewitterzellen über der Pfalz formierten sich weitere Gewitterstaffeln, die vor allem den Süden und Südosten Hessens, Unter- und Oberfranken, Thüringen und Teile Sachsens betrafen (Nummer 2). Mehrere Gewitterherde entstanden am späteren Abend über den Vogesen und der Alb und verlagerten sich über die mittleren Teile von Baden-Württemberg und Bayern nordostwärts nach Tschechien (Nummer 3). Schließlich ließ sich auch der westliche Alpenraum bzw. Alpenrand, die Ostschweiz und die Bodenseeregion um genau zu sein, "nicht lumpen" und brachte schließlich eine weitere markante Gewitterlinie hervor, die im Verlaufe der Nacht zum Mittwoch über Oberschwaben, Schwaben, Oberbayern und Niederbayern hinweg zog (Nummer 4).

Neben Starkregen und größerem Hagel gingen ganz besonders von teils extremen Gewitterböen hohe Unwettergefahr und Schadenspotenzial aus. So sorgte die entsprechende Gewitterlinie zwischen Nordhessen und Südbrandenburg (Nummer 1) verbreitet für Sturmböen, einzelne schwere Sturmböen und sogar orkanartige Böen (Frankenberg-Geismar 108 km/h, Fritzlar 112 km/h, Eschwege-Eltmannshausen 115 km/h). Spitzenreiter bei den Gewitterböen war Erfurt. Dort wurde eine Orkanböen mit 119 km/h registriert. Richtig "zur Sache" ging es auch bei den Gewitterherden über den mittleren Teilen Baden-Württembergs und Bayerns (Nummer 3). Harburg (122 km/h), Nürnberg (126 km/h) und Selb-Spielberg (119 km/h) meldeten jeweils Orkanböen.

Tornados: Ja? Nein?

Das durch die Gewitter verursachte Schadensausmaß ist eng begrenzt (z. B. Framershausen bei Alzey und Halle an der Saale) durchaus mit dem zu vergleichen, was auch bei Tornados beobachtet wird. Es verwundert daher nicht, dass sich schnell angebliche Meldungen über Tornados in den Medien verbreiten. Fakt ist, solange kein aussagekräftiges Bildmaterial vorliegt und das genaue Schadensbild von Experten vor Ort nicht untersucht wurde, bleibt es bei einem Verdacht. Die Bedingungen für die Entwicklung von Tornados waren gestern zudem alles andere als optimal. Vieles deutet darauf hin, dass es sich in den genannten Extremfällen um besonders heftige Gewitterböen, sogenannte Fallböen oder auch Downbursts handelte, die mit Geschwindigkeiten bis weit in den Orkanbereich für regelrechte Verwüstungen sorgten. Ein finales "Urteil" liegt aus genannten Gründen noch nicht vor. Schuldig im Sinne der Anklage oder doch Freispruch aus Mangel an Beweisen?

Dipl.-Met. Adrian Leyser

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.07.2015

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