So hört man die Bewohner an der Küste oder alte Seebären oft sprechen. Viele haben das auch schon einmal selbst erlebt: Man fährt von zu Hause los, Richtung Ost- oder Nordsee, und nur ein angenehmes laues Lüftchen wehte. Doch dann, an der schönen Küste angekommen, ist es spürbar windiger, speziell, wenn der Wind von der See her weht. Aber wieso ist der Wind an der Küste oder über See stärker als im Binnenland?
Zunächst muss man wissen, was Wind überhaupt ist. Der Wind stellt eine Ausgleichsbewegung der Luft zwischen Gebieten mit unterschiedlichem Luftdruck dar. Er ist also bestrebt, den hohen und den tiefen Druck auszugleichen, indem er vom hohen zum niedrigen Druck zu wehen versucht. Aber so einfach ist das leider nicht, denn die Erde dreht sich. Somit kommt nicht nur der Druckunterschied zum Tragen (Druckgradientkraft), sondern auch die sogenannte Corioliskraft, die bewegte Luftmassen ablenkt (auf der Nordhalbkugel nach rechts).
Ab einer Höhe von ca. 1 km über Grund stellt sich annähernd ein Gleichgewicht dieser Ablenkungskräfte ein, in der kaum noch ein Druckausgleich stattfindet. Man sagt, der Wind weht isobarenparallel. Am Boden gilt dies allerdings nicht, wie die Abbildung auf der Startseite unter Thema des Tages => [mehr] zeigt. Zu sehen sind dort der vom Modell berechnete Bodendruck in hPa (Isobaren = Linien gleichen Drucks) und der Wind in km/h (eingefärbte Fiedern). Man erkennt, dass die Windfiedern am Boden nicht parallel zu den Isobaren ausgerichtet sind. Warum?
Nun, ein wichtiger Faktor fehlt uns noch in der Betrachtung. Dieser Faktor ist die Beschaffenheit der Erdoberfläche, genauer gesagt, die von ihr erzeugte Reibung. Je nach Oberflächenbeschaffenheit wird der Wind mehr oder weniger abgebremst. So spürt der Wind beispielsweise mehr Widerstand, wenn er durch ein Waldgebiet weht als über einen Acker. Man kann sich das auch so vorstellen: Fährt man mit Inlinern erst über eine asphaltierte Strecke und dann über Schotter, so übt der Schotter aufgrund seiner anderen Oberflächenbeschaffenheit mehr Widerstand aus und man wird abgebremst.
So ähnlich ist es auch beim Unterschied zwischen Meeres- und Landoberfläche. Auf der Landoberfläche wird der Wind stärker abgebremst als über dem Meer. Deswegen herrscht an der See häufig auch dann eine frische Brise, wenn im Landesinneren nur ein laues Lüftchen weht. Eine weitere Folge dieser beschriebenen Reibungsprozesse ist Ihnen in der Karte vielleicht auch schon aufgefallen: Die Änderung der Windrichtung gegenüber den Isobaren ist über dem Meer geringer als über Land (oranger Kreis). Der Wind weht zwar in beiden Fällen sozusagen etwas schräg zu den Isobaren in Richtung des Tiefs. Während man aber über Land häufig einen Ablenkungswinkel von ca. 30° annehmen kann, beträgt die Ablenkung über dem Meer nur 10-20°.
Bei aller Bedeutung der Reibung auf die Windgeschwindigkeit sollte man nicht vergessen: Der wichtigste Faktor für die Windgeschwindigkeit ist der Druckunterschied bzw. der Isobarenabstand, wie man in der Abbildung unschwer in der Nähe von Gotland erkennt (violetter Kreis). Denn je stärker der Druckunterschied ausgeprägt ist, also je enger die Isobaren bei einander stehen, desto stärker ist der Wind.
M.Sc.-Met. Anna Wieczorek
Deutscher Wetterdienst