Wenn der Frühling in die Lande zieht, wird dies hierzulande von vielen als ein schönes Ereignis empfunden - schließlich sind dann die Tage der kalten und wechselhaften Jahreszeit gezählt. Sonnenschein, eine zunehmende Blütenpracht und wärmere Temperaturen sind die angenehmen Begleiterscheinungen dieser Jahreszeit. Doch woanders, nämlich in den USA, ist genau diese Jahreszeit in bestimmten Bereichen des Landes geprägt von einer raschen Zunahme der Tornadowahrscheinlichkeit und damit einhergehend auch von der Gefahr von teils beträchtlicher Zerstörung von Hab und Gut. Zwar können Tornados, ihren für die Entstehung notwendigen physikalischen Eigenschaften entsprechend, in vielen Gegenden der Welt vorkommen (so auch in Deutschland), aber nirgendwo sonst findet so oft eine Überlappung der für die Tornadoentstehung notwendigen meteorologischen Zutaten statt wie in den Tornado Alleys der USA. Die Entstehung dieser von ihrem Auswirkungsbereich meist eng begrenzten Starkwindereignisse soll in diesem Thema des Tages nur tangiert werden. Die hierzu benötigten Zutaten spiegeln eine Überlagerung von hoher Windscherung (Zunahme der Windgeschwindigkeit und Drehung des Windes mit der Höhe) mit feuchten und energiereichen Luftmassen wieder. Gekoppelt an mehr oder weniger hochreichende Konvektion entwickeln sich die Tornados dann mit Hilfe von komplexer Auf-/ Abwinddynamiken, wobei die besonders schadensträchtigen Tornados in Verbindung mit langlebigen und um ihre eigene vertikale Achse drehenden Gewitterzellen (sogenannten Superzellen) einhergehen.
In den USA wird die Region, wo diese Bedingungen wiederholt auftreten als die "Tornado Alley" bezeichnet. Dabei ist die am weitläufig bekannteste "Alley" im Mittleren Westen der USA zu finden, was die Staaten von Texas über Oklahoma bis Nebraska einschließt. Aus wissenschaftlicher Sicht kann der Ausdruck "Tornado Alley" auf eine Studie von Fawbush und Miller (1952) zurückgeführt werden, wo zum ersten Mal dieser Begriff verwendet wurde. Die Hauptsaison für Tornadoentstehung liegt in diesem Bereich hauptsächlich zwischen den Monaten April und Juni, variiert jedoch nach Süden (Beginn im März) und Norden (bis Juli) um einige Wochen. Zwar können auch außerhalb dieser Zeit Tornados auftreten, jedoch besteht die maximale Gefahr während dieser Monate.
Auch wenn der geografische Bereich östlich der Rocky Mountains z.B. mit einer Anzahl von über 13 500 Tornados zwischen 1950 und 2007 (Gagan et al., 2010 ) als der Schwerpunkt der Tornadoaktivität in den USA angesehen werden kann, so zeigten weitere Studien in der jüngeren Vergangenheit eine zusätzliche "Tornado Alley" auf. Diese, von Alan Pearson (ehemaliger Direktor des Nationalen Gewittervorhersagezentrum der USA) als "Dixie Alley" bezeichnete Region umfasst die im Süden gelegenen Staaten Arkansas, Louisiana, Mississippi, Alabama, weite Bereiche von Tennessee und Georgia (siehe Grafik unter www.dwd.de/tagesthema). Auch wenn die Anzahl der Tornados in der "Dixie Alley" nicht an die der "Tornado Alley" östlich der Rocky Mountains herankommt, so treten hier immer wieder teils sehr zerstörerische und tödliche Tornados auf. In Vergleichsstudien zwischen der international allgemein bekannten "Tornado Alley" östlich der Rocky Mountains und der "Dixie Alley" wurden einige bedeutende Unterschiede entdeckt: Die stärksten Tornados auf die Fläche gemittelt treten in der "Dixie Alley" auf und diese haben neben dem zu erwarteten ersten Schwerpunkt im Frühjahr auch noch einen zweiten im Winter. Besonders gefährlich und schadensträchtig machen die Tornados im Süden der USA vor allem die deutlich höhere Bevölkerungsdichte und die Tatsache, dass viele der Tornados auch mitten in der Nacht auftreten. Eine der Erklärungen für das teils späte Auftreten ist die, dass im Winter starke Tiefdruckgebiete mit viel Wind (und somit hoher Windscherung) auf warme und energiereiche Luftmassen über dem Golf von Mexiko und angrenzende Anrainerstaaten treffen. Somit können die heftigen Gewitter und ggf. auftretenden Tornados auch mitten im Winter und bis tief in die Nacht ihr Unheil anrichten. Derweilen beherrschen kalte und trockene kanadische Luftmassen die weiter nördlich gelegenen Gebiete und unterdrücken dadurch die Gewitterbildung.
In diesem Jahr verlief der Start der Tornadosaison in beiden "Alleys" teils rekordverdächtig ruhig, was vor allem an der beständigen Advektion kalter und trockener Luftmassen aus Kanada lag, die bis weit in den Süden und teils bis zum Golf von Mexiko vordrangen. Nur am 3. Januar 2015 gab es in der "Dixie Alley" einen Tornadoausbruch mit 15 bestätigten Tornados. Wie beständig die Advektion der kanadischen Luftmasse den Winter über stattfand, zeigen die eisigen Temperaturen und die hohen Schneemengen des vergangenen Winters entlang der Nordostküste der USA. Von daher verwundert es nicht, dass bisher in den gesamten USA anstatt der für Anfang April üblichen 235 Tornados bisher nur rund 50 aufgetreten sind. Allerdings nahm im Verlauf der letzten Tage die Gewitteraktivität allmählich zu und gipfelte am 25. März 2015 in den ersten Tornadoausbruch seit Anfang Januar, der in Oklahoma zu mindestens 11 Tornados führte. Und wenn man den Wettermodellen Glauben schenken darf, dann nimmt auch in den kommenden Tagen die Wahrscheinlichkeit für organisierte Konvektion und einhergehend auch eine erhöhte Tornadogefahr östlich der Rocky Mountains den klimatologischen Erwartungen entsprechend allmählich zu.
Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst