Am heutigen Dienstag wird Deutschland von einem ausgewachsenen Frühjahrssturm heimgesucht. Orkantief "Niklas" zieht von Schottland über die südliche Ostsee bis ins Baltikum und beeinflusst mit seinem Sturmfeld das Wetter im Bundesgebiet nachhaltig.
Verantwortlich für die Entwicklung und Verlagerung von Tief Niklas ist die derzeitige Luftdruckverteilung über Europa bis in große Höhen. Einem kräftigen Hoch mit Zentrum zwischen den Azoren und der Iberischen Halbinsel steht eine ausgeprägte und großräumige Tiefdruckzone von Grönland bis zum Baltikum gegenüber. Zwischen beiden Druckgebilden stellte sich eine starke west- bis nordwestliche Strömung ein. Die höchsten Windgeschwindigkeiten werden dabei auf der Südflanke von "Niklas" erwartet.
Schon in den heutigen Morgenstunden fegten erste schwere Sturmböen über die westlichen Landesteile hinweg. Im höheren Bergland erreichten die Böen rasch Orkanstärke. Um 8 Uhr meldeten mit dem Weinbiet, der Zugspitze sowie dem Feldberg im Schwarzwald gleich 3 Stationen schon über 140 km/h. Im weiteren Tagesverlauf werden die Windgeschwindigkeiten noch weiter zunehmen.
Vor allem im Westen und Süden wird das Windmaximum mit Durchzug der zu Niklas gehörenden Kaltfront erwartet. In Frontnähe finden nämlich die stärksten vertikalen Umlagerungen statt, sodass aus größeren Höhen die dort noch höheren Windgeschwindigkeiten bis zum Boden herab gemischt werden können. In etwa 1500 Meter Höhe weht der Wind heute mit Geschwindigkeiten zwischen 100 und 150 km/h, so dass das Potenzial für mögliche Böen in Orkanstärke auch im Tiefland bei Frontdurchgang in diesem Bereich liegen kann. Im Norden und Osten können auch rückseitig der Front noch Böen in Orkanstärke heruntergemischt werden. Hinter der Kaltfront fließt dort in der Höhe nämlich sehr kalte Luft bis -40 Grad ein, die die Atmosphäre stark labilisiert und somit dort ebenfalls für einen kräftigen vertikalen Luftaustausch und zahlreiche Schauer mit möglichen Orkanböen sorgt.
Auf der Süd- und nach Ostverlagerung von Niklas auch auf der Westflanke muss bis zum morgigen Mittwoch im gesamten Land mit Sturm- oder schweren Sturmböen gerechnet werden. Vor allem in Nord- und Ostdeutschland sowie durch den sogenannten "Leitplankeneffekt" im Alpenvorland kann es bis in die Niederungen orkanartige Böen (Bft 11), vereinzelt auch Orkanböen (Bft 12), zunächst aus Südwest, später aus West bis Nordwest geben. Bei westlichen bis nordwestlichen Winden stellen die Alpen eine Barriere dar und kanalisieren und verstärken die Winde somit in eine östliche Richtung.
Den äußersten Nordosten erreicht das Sturmfeld mit Annäherung von "Niklas" sowie später auch mit der höhenkalten Luft erst am späten Nachmittag oder Abend, dann nimmt der Wind im Südwesten bereits wieder ein wenig ab.
Auch die nächsten Tage bleiben durch die kräftige nordwestliche Strömung stürmisch. Jedoch erreichen die Windgeschwindigkeiten nicht mehr das Niveau vom heutigen Dienstag. Erst zum Karfreitag und Ostersamstag schwächt sich der Wind merklich ab.
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
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