Die vorgegaukelte Nacht

Heute ist der Tag der Sonnenfinsternis. Wie es zu der vorübergehenden "Verfinsterung" der Sonne kommt und wo man die sich verdunkelnde Sonne beobachten kann, wurde in den vergangenen Tagen über die verschiedenen Kanäle des Deutschen Wetterdienstes hinreichend erläutert. Das heutige Thema des Tages möchte hingegen auf die vielfältigen Auswirkungen einer Sonnenfinsternis auf die Menschheit sowie Tier- und Pflanzenwelt eingehen.

Wenn sich der Mond dem Sonnenlicht in den Weg stellt, wird es wortwörtlich dunkel. Hauptsächlich gestreutes (sozusagen indirektes) diffuses Sonnenlicht sorgt aber auch bei einer totalen Sonnenfinsternis noch für eine gewisse Helligkeit und mitunter für ungewohnte Himmelsfarben. Bei einer totalen Sonnenfinsternis geht die sogenannte Beleuchtungsstärke nichtsdestotrotz auf etwa 1/10.000 bis 1/100.000 der normalen Sonnenscheinhelligkeit zurück. Das schwindende Sonnenlicht resultiert schließlich in Änderungen meteorologischer Bedingungen. So geht beispielsweise die Temperatur zurück (sofern keine wärmeren Luftmassen herangeführt werden). Auch lokale Windverhältnisse ändern sich zum Teil spürbar. So werden insbesondere kurz vor und kurz nach einer totalen Sonnenfinsternis oft Windböen beobachtet. Die vorübergehende, böige Windzunahme wird auch als "Finsterniswind" bezeichnet. Dass eine solche "abnormale" Verdunklung gepaart mit den Veränderungen meteorologischer Bedingungen nicht spurlos an Mensch, Tier und Pflanze vorbei geht, liegt auf der Hand. Bei einer partiellen Sonnenfinsternis, wie heute in Deutschland, sind die Auswirkungen allerdings ungleich geringer.

Im Gegensatz zur Menschheit "kennt" die Tier- und Pflanzenwelt eine Sonnenfinsternis aufgrund der lokal betrachteten Seltenheit in der Regel nicht. Das soll heißen, wenn es während der Sonnenfinsternis fast zur Nacht wird, glauben die Tiere und Pflanzen, es würde tatsächlich Nacht werden. Für die Menschen in besonderem Maße wahrnehmbar ist beispielsweise das plötzliche Verstummen vieler Vögel oder das Schließen von Pflanzenblüten. Darüber hinaus kann es vorkommen, dass eigentlich nachtaktive Tiere ihr Nachtquartier verlassen (Nilpferde recken wie auf Kommando ihre Köpfe aus dem Wasser, Fledermäuse fliegen umher ...), während tagaktive Tiere "zu Bett" gehen (Schmetterlinge falten ihre Flügel zusammen und setzen sich zur Ruhe, Hühner laufen in den Stall, Bienen kehren in ihren Stock zurück). Wenn es nun nach dieser "vorgegaukelten" Nacht plötzlich wieder hell wird, ist die Verwirrung besonders in der Tierwelt enorm. Die Sonnenfinsternis ist für die Tiere nämlich außergewöhnlich und steht im Konflikt mit der inneren biologischen Uhr. Eine Rückkehr zum ursprünglichen Tagesablauf ist häufig undenkbar.

Der Mensch kann die Sonnenfinsternis zwar erklären, verstehen und vorhersagen, wodurch sie nicht "aus heiterem Himmel kommt". Allerdings kann auch er sich nicht vollends den mit der Finsternis verbundenen Erscheinungen entziehen. Abgesehen davon, dass auch in jedem von uns eine innere biologische Uhr tickt, die nicht grenzenlos ausgetrickst werden kann, sorgt das Naturschauspiel bei einigen für eine mitunter überwältigende emotionale Berührung. Ob sich diese Emotionalität in einem extrovertierten "Ah! Oh!" oder doch eher in introvertiertem Schweigen äußerst, ist selbstverständlich eine Charakterfrage.

Der sorgenvolle Blick der Betreiber des deutschen Stromübertragungsnetzes beim Gedanken an die Sonnenfinsternis ist dagegen weniger eine Charakterfrage, als ein Ausdruck des Wunsches nach stetiger Netzstabilität. Grund ist der zuletzt stark angestiegene Anteil der Solarenergie an der gesamten Energieproduktion bzw. -einspeisung. Selbst die heutige, nur partiell daher kommende Sonnenfinsternis kann demnach unter Umständen für enorme Leistungsschwankungen in den Stromnetzen sorgen. Die Betreiber sprechen hier nicht ohne Grund von einem echten "Stresstest für das Stromnetz". Die Schwankungen sind vor allem bei geringer Bewölkung teils mehr als dreimal so hoch wie bei einem Sonnenauf- und -untergang. Bei überwiegend bedecktem Himmel sind die Schwankungen dagegen unproblematisch. Dies zeigt nochmals die Bedeutung einer verlässlichen Vorhersage des Bedeckungsgrades der Bewölkung.

Allen anderen wünscht der Autor dieses Artikels viel Spaß beim "Sofi-gucken" und vor allem einen nachfolgenden, interessanten Erfahrungsaustausch.

Dipl.-Met. Adrian Leyser

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.03.2015
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