Turbulente Tage liegen in Deutschland hinter uns: örtlich schwere Gewitter mit Sturm- oder sogar Orkanböen, Graupel, Schneefall und mitunter spiegelglatte Straßen. Die Atmosphäre konnte in der vergangenen Woche ausgiebig zeigen, was in ihr steckt. Doch dass das eigentlich noch recht "harmlos" war, stellt man dann fest, wenn man einen Blick über den Tellerrand bzw. vielmehr über die Alpen nach Süden wirft.
Dort ist nämlich seit Mittwoch, wie die Überschrift schon verrät, "der Teufel los". In diesem Zusammenhang schuldig gesprochen werden, müsste allerdings nicht der Teufel, sondern ANTON. So heißt nämlich das Orkantief, das an diesem Tag südlich der Alpen im Golf von Genua und seitdem sein Unwesen im westlichen und zentralen Mittelmeerraum treibt.
Im Zusammenspiel mit Hoch KARIN über der Biskaya entstand zunächst der Mistral, ein stark böiger Nordwind im Süden Frankreichs. Zwischen ANTON und KARIN stellte sich demnach ein starker Druckgradient, also ein großer Luftdruckunterschied auf relativ kurzer horizontaler Distanz ein. Die sich damit über Südfrankreich ergebende kräftige nördliche Strömung wurde dann typischerweise noch durch die dortige Orographie zusätzlich verstärkt. Zwischen Zentralmassiv und Westalpen sowie Pyrenäen stellte sich ein sogenannter "Düseneffekt" ein, sodass in dieser Region am vergangenen Mittwoch und Donnerstag vielerorts orkanartige Böen um 110 km/h gemessen wurden, in Cap Bear am östlichen Pyrenäenrand sogar Orkanböen bis 139 km/h (Stationshöhe 82 m ü. NN).
Im Laufe der Nacht zum Donnerstag verlagerte sich ANTON weiter Richtung Mittelitalien, wodurch auch in Korsika einige Stationen Orkanböen über 120 km/h meldeten. Spitzenreiter diesbezüglich war die Station La Chiappa im Süden der Insel mit 165 km/h. Zudem aktivierte ANTON neben dem Mistral ein weiteres regionales Windsystem: die Bora. Dabei handelt es sich um einen kalten und stark böigen Fallwind an der kroatischen Adriaküste, genauer gesagt an der istrischen und dalmatinischen Küste. "Fallwind" deshalb, da der Wind infolge der sich dort am Mittwochabend eingestellten östlichen bis nordöstlichen Strömung von den Hochlagen des Dinarischen Gebirges zur Adria herabweht/fällt und dadurch zusätzlich stark beschleunigt wird. An der Station Makarska - auf 49 m ü. NN gelegen - wurden beispielsweise am Donnerstagvormittag extreme Orkanböen bis 155 km/h registriert. Die benachbarte Station Split (Marjan) meldete am Donnerstagabend sogar 166 km/h. Medienberichten zufolge sollen örtlich aber auch noch deutlich höhere Böen (über 200 km/h) aufgetreten sein.
Neben dem Wind schlugen in den Küstenregionen der Adria, im angrenzenden Bergland sowie auf Korsika allerdings auch heftige Niederschläge zu Buche, die dort vielerorts zu Überschwemmungen und Erdrutschen führten. Beispielsweise wurde die Region um Dubrovnik im Süden Kroatiens mit 159 l/qm in 24 Stunden regelrecht überflutet. 119 l/qm davon fielen sogar innerhalb von sechs Stunden! Im höheren Bergland ging der Niederschlag durchweg als Schnee nieder. In dem bis Donnerstagfrüh schneefreien Ort Campobasso in der italienischen Region Molise (793 m ü. NN) fielen bis heute Früh 40 cm Neuschnee innerhalb von 24 Stunden. Die montenegrinische Station Pljevlja (784 m ü. NN) meldete 42 cm Neuschnee im selben Zeitraum. Im bosnischen Bjelasnica (2067 m ü. NN) kamen zu den bisher vorhandenen 258 cm stolze 62 cm Neuschnee in 24 Stunden dazu. Bei den oben erwähnten Sturm- und Orkanböen ist dann noch mit meterhohen Schneeverwehungen zu rechnen. Im Laufe des Wochenendes verlagert sich ANTON unter Abschwächung weiter südostwärts, sodass sowohl die Niederschläge als auch der Wind allmählich wieder nachlassen und die Bewohner der betroffenen Regionen endlich wieder durchatmen können.
Abschließend sei noch erwähnt, dass ANTON neben Mistral und Bora sogar noch ein drittes Windsystem im "Gepäck" hat. Kräftiger Föhn sorgte am gestrigen Donnerstag auch auf den Gipfeln der Südalpen für Orkanböen bis 143 km/h. Im Laufe des heutigen Freitags lässt dieser aber allmählich wieder nach.
Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst