Winterliche Überraschung (?)

Zwar wurde der Schneefall am gestrigen Montag angekündigt. Der ein oder andere wird sich aber bestimmt dennoch etwas erstaunt die Augen gerieben haben, als es in einigen Teilen Deutschlands längere Zeit zum Teil recht kräftig geschneit hat. So sind im Mittelgebirgsbereich zum Teil über 10 cm Schnee gefallen. Selbst im Rhein-Main Gebiet hat sich in den Außenbezirken zumindest vorübergehend eine mehrere Zentimeter dicke Schneedecke ausbilden können.

Die Überraschung kam sicher bei vielen dadurch zu Stande, dass das Wettergeschehen an den Vortagen nicht unbedingt auf Schneefall schließen ließ. Aus Vorhersagesicht hielt sich das Erstaunen hingegen in Grenzen. Vielmehr lieferte die Prognose gute Hinweise auf dieses Ereignis und wurde entsprechend auch in den Vorhersagetexten verarbeitet. Im heutigen Thema des Tages geht es nun um die Vorhersage solcher winterlichen Wettererscheinungen. Selbstverständlich ist dies ein sehr komplexes Thema und kann nicht in der Kürze komplett abgehandelt werden. Daher soll es vielmehr darum gehen ganz allgemein die Grundzüge kurz zu skizzieren.

Beim DWD arbeitet man hauptsächlich nach der sogenannten "Top-Down" -Methode. Dabei handelt es sich um eine Vorgehensweise bei der man von oben nach unten durch die Atmosphäre hindurch schaut und dabei die Verteilung von Temperatur und Feuchte betrachtet. Zum Verständnis sind folgende Grundlagen wichtig. Liegt die relative Feuchtigkeit nahe 100%, so kann der Wasserdampf in der Luft kondensieren und es bilden sich Wolken und später Niederschlag. Entscheidend ist, bei welcher Temperatur dies geschieht. Liegen die Werte im Niveau der Wolkenbildung unterhalb von -10 Grad, dann bilden sich verstärkt Eiskristalle. Bei Werten zwischen 0 und -10 Grad überwiegt hingegen unterkühlter Wasserdampf. Bei positiven Temperaturen gehen Eiskristalle und Schneeflocken wieder in die Flüssigphase über.

Der Meteorologe beginnt nun also mit der Durchschau und betrachtet dabei drei grundlegende Schichten:

(1) Wo bildet sich die Wolke? Zunächst schaut man in den mittleren und höheren Luftschichten in welcher Höhe und vor allem bei welcher Temperatur sich das erste Mal Wolken bilden. Geschieht dies bei Temperaturen unter -10 Grad, dann ist die Wahrscheinlichkeit für Eiskristalle sehr hoch, was eine wichtige Voraussetzung für festen Niederschlag ist. Bei höheren Temperaturen halten sich hingegen unterkühlte Wassertropfen, was eher zu Sprühregen führt.

(2) Gibt es Warmlufteinschübe? Nun blickt man in die unteren Luftschichten. Im Winter ist es nicht untypisch, dass sich wärmere Luftmassen über eine noch kalte, bodennahe Schicht schieben (Inversion). Liegt die Temperatur in einer ausreichend dicken Schicht oberhalb des Gefrierpunktes, so können vorhandene Eiskristalle und Schneeflocken wieder abschmelzen.

(3) Wie sieht es am Boden aus? Ein ganz wichtiger und auch schwierig vorherzusagender Parameter ist die Temperatur am Boden. Wenn sich dort beispielsweise noch Frost hält und die Böden tiefgefroren sind, kann in höheren Schichten geschmolzener Niederschlag oder der angesprochene Nieselregen fest frieren, was zu dem gefährlichen Glatteis führt. Andererseits bleibt bei positiven Temperaturen der fallende Schnee vielleicht gar nicht am Boden liegen. Aufgrund verschiedener lokaler Verhältnisse und Unterschiede in der Beschaffenheit der Böden kann es größere Unterschiede auf engem Raum geben. So beispielsweise auch gestern im Rhein-Main-Gebiet, wo es in den Städten grün blieb und in den Außenbezirken weiß wurde.

Hat man sich die Prognosen für den gestrigen Tag betrachtet, so lagen in den betroffen Gebieten auf dem Niveau der Wolkenbildung die Werte deutlich unter -10 Grad (1), die Temperatur in den unteren Schichten lag weitgehend unterhalb von 0 Grad (2) und die Bodentemperaturen bewegte sich um den Gefrierpunkt (3). Schnee war also zu erwarten, nur ob es auch im Flachland liegen bleibt, war aufgrund der oben erwähnten Schwierigkeiten noch etwas unsicher.

Ein wichtiger Parameter für die Vorhersage ist auch die Feuchttemperatur. Das ist die Temperatur die sich in der Umgebung einstellt, wenn Niederschlag in eine noch trockene Schicht fällt und sich damit Sättigung einstellt. In einer Atmosphäre ohne Temperaturumkehr mit der Höhe (Inversion), nutzt man als Faustregel den Wert von +1.5 Grad. Dieser bildet die Grenze zwischen Regen und Schnee. Auch das hat gestern sehr gut geklappt, wie man an der angehängten Grafik sehen kann (www.dwd.de rechts unter "Thema des Tages" auf [mehr] klicken)

Es zeigt sich also wieder, dass der Vorhersagemeteorologe für eine gute Vorhersage die gesamte Atmosphäre durchleuchten muss (3D), um keine bösen Überraschungen zu erleben.

Dipl.-Met. Marcus Beyer

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.02.2015
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