Stürmisches Europa

Am vergangenen Donnerstag und am gestrigen Freitag wehte uns ein eisiger und lebhafter Nordostwind um die Nase, der vor allem in den höheren Lagen der Mittelgebirge und der Alpen Sturmstärke erreichte. Auf dem Feldberg im Schwarzwald traten sogar Orkanböen auf.

Hervorgerufen wurde diese starke Nordostströmung durch große Luftdruckgegensätze zwischen einem kräftigen Tiefdruckgebiet, welches sich über nahezu den gesamten Mittelmeerraum erstreckt und einem ebenso kräftigen Hochdruckgebiet mit Schwerpunkt westlich von Irland, das bis in das östliche Mitteleuropa reicht. Es wies in den letzten beiden Tagen einen Druck von 1035 hPa auf und wird sich am heutigen Samstag noch weiter verstärken. Das Tief hatte bereits am Donnerstag mit einem Kerndruck von 990 hPa den Höhepunkt seiner Entwicklung erreicht. Das bedeutet, dass zwischen Irland und Oberitalien ein Luftdruckgefälle von 45 hPa bestand.

Die Atmosphäre versucht nun, solche Gegensätze auszugleichen, indem sie einen Luftmassentransport vom hohen zum tiefen Druck in Gang setzt. Eine wichtige Rolle spielen dabei lokale Windsysteme. Dazu gehört beispielsweise die Bise, ein kalter Nordostwind im Schweizer Mittelland und im westlichen Alpenvorland. Dabei entsteht zwischen dem Alpenbogen und dem Jura eine Art Kanalisierung der Luftströmung und somit eine Verstärkung des Windes, wobei sich die hohen Windgeschwindigkeiten bis zum Genfer See auswirken. So meldete beispielsweise die Station Saint-Prex am Genfer See am vergangenen Donnerstag Spitzenböen bis 83 km/h. Am gestrigen Freitag wurde an der Station Mathod im Schweizer Kanton Waadt mit 89 km/h die höchste Windgeschwindigkeit gemessen. Noch stärker war der Wind mit 127 km/h auf dem Juragipfel La Dôle (1669 m). Auch am Bodensee war die Bise gestern noch zu spüren, in Steckborn wurden Böen um 75 km/h, in Schaffhausen am Rhein sogar bis 89 km/h registriert.

Nicht weniger stürmisch ging es zur gleichen Zeit im Mittelmeerraum zu. Entlang der Küsten des westlichen und zentralen Mittelmeers wurden vielerorts Böen zwischen 70 und 90 km/h registriert. Selbst die südtunesische Stadt Tataouine meldete Sturmböen um 75 km/h. Durch den starken Wind wurde Saharastaub aufgewirbelt und auf der Süd- bzw. Ostseite des Tiefs weit über das Meer hinweg verfrachtet. Diese Staubfahnen waren zeitweise sogar in den Satellitenbildern zu sehen.

Die stärksten Winde im Küstenbereich des Mittelmeers gab es in den vergangenen beiden Tagen entlang des Rhônetals von Südfrankreich bis in den Löwengolf hinein. Dort hatte sich der Mistral, ein böiger Nordwind ausgeprägt. Die Luft, die von Frankreich her zum Mittelmeer strömt, muss durch die enge Pforte zwischen Zentralmassiv und Alpen und es entsteht ähnlich wie bei der Bise ein Düseneffekt. Die Böen erreichten teilweise Orkanstärke, so zum Beispiel am Donnerstag an der französischen Station Cap Bear mit 174 km/h. Aber auch am Flughafen der Stadt Istres wurden noch schwere Sturmböen bis 93 km/h gemeldet. Durch den kräftigen Wind türmten sich die Wellen vor der französischen Mittelmeerküste auf offener See in den letzten beiden Tagen teilweise bis zu 7 Meter hoch auf.

Mittlerweile hat sich das Mittelmeertief deutlich abgeschwächt. Es weist derzeit einen Kerndruck von etwa 1015 hPa auf. Somit ist im Tagesverlauf im gesamten Mittelmeerraum, aber auch im Süden Deutschlands mit einer deutlichen Windabschwächung zu rechnen. Anders sieht es derzeit in Fennoskandien aus. Dort befindet sich über dem äußersten Norden ein Orkantief mit einem Kerndruck von 965 hPa. Somit hat sich zwischen dem Hoch über den Britischen Inseln und dem Orkantief ein kräftiger Druckgegensatz aufgebaut. Dabei kommt es dort am heutigen Samstag verbreitet zu Sturmböen. Insbesondere entlang der norwegischen Küste, aber auch in den skandinavischen Gebirgen treten Orkanböen mit Geschwindigkeiten teils über 150 km/h auf.

Die Auswirkungen dieses Orkantiefs werden heute auch an den deutschen Küsten von Ost- und Nordsee sowie im Bergland durch eine Windzunahme zu spüren sein. Die Windentwicklung in Deutschland wird voraussichtlich in der kommenden Nacht zum Sonntag ihren Höhepunkt erreichen, meist kommt es dabei zu stürmischen Böen an der Küste, in exponierten Lagen und im Bergland zu Sturmböen. Das Orkantief wird sich am morgigen Sonntag weiter ostwärts verlagern. In Verbindung mit einem weiteren Orkantief wird der stürmische und teils orkanartige Wind im Norden Europas aber weiter erhalten bleiben.

Dipl.-Met. Johanna Anger

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.02.2015
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst